Freitag, 05. April 2013, 19:00 Uhr - So viele Reservierungen wie noch
nie; die ersten Besucher strömen unmittelbar nach Öffnung der Türen ein. 19:10
Uhr - die ersten Stühle müssen vom Raucherbereich in den Hauptraum getragen
werden, da der Hauptraum voll ist. 19:20 Uhr – die 50 gedruckten Karten sind
verkauft, Schweißperlen an der Kasse, denn die Schlange ist noch immer lang.
19:30 Uhr – Das Bistro verkündet, bis 23:00 Uhr niemanden mehr herein lassen zu
können, da alles voll ist, und Gregor Jonas beginnt die Gitarre zu zupfen und eröffnet
den folgenden sensationellen Abend voller grandioser Hörerlebnisse.
Als Überraschungsgast durfte unser Moderator Andreas Arnold zunächst die
12jährige Annalena ankündigen. Sie hatte am Poetry-Slam-Workshop, der von 11:00
Uhr bis 17:00 Uhr gleichen Tags im Rahmen der Ferienspiele stattgefunden hatte,
teilgenommen und den Mut gefunden, ihren Text gleich auf einer Bühne zu
präsentieren. Alle Achtung, das verdient Respekt, doch trug sie ihre schaurig-schöne
Geschichte um den boshaften Mr. D. so versiert vor, dass keiner glauben mochte,
es sei ihr erster Vortrag. Herrlich! So macht Slam-Poetry Spaß. Wir werden
gewiss noch mehr von ihr und den anderen jungen Nachwuchsdichterinnen und –dichtern
hören.
Den Wettbewerb eröffnete sodann, mit dem von Annalena hungrig gemachten
Publikum vor sich – nennen wir es fortan die Wilden 75, denn auf diese Zahl kam
ich beim Nachzählen -, der amtierende fränkische U20-Poetry-Slam-Meister
Jonathan Baumgärtner. Sein Runners High ließ die Bilder in den Köpfen der
Wilden 75 rennen und bildete die perfekte Vorlage für den folgenden Vortrag von
Thorsten Zeller aus Friedberg, der mit seiner sonoren Stimme, den Diebstahl
seines mindestens ebenso schnellen Fahrrads lyrisch beklagte. Es folgte Simon
Felix Geiger, aus dem fernen Freiburg angereist, und erklärte, warum er so sei,
wie er ist oder besser: Das Zwitschern „hier oben“. Die Stimmung war nun
bereits am Siedepunkt, den „Müsli“ aus Ravensburg nutzte, um seine betretenen
Fettnäpfchen inhaltlich schmelzen zu lassen. Eine fantastische Vorrunde, dessen
eindeutigem Ergebnis zum Trotz, kein Beitrag sich vor dem anderen zu verstecken
hatte. Doch Sieger konnte es nur einen geben, und das war eindeutig an diesem
Abend Simon Felix Geiger.
Die zweite Vorrunde eröffnete Benedict Hegemann aus Marburg, der es
schaffte einen romantischen verbalen Reigen von Geigen, Landstreichern und
geplatzten Tauben tanzen zu lassen. Der Bonner Felix Bartsch gab daraufhin
überraschende Einblicke in das Privatleben von Darth Vader, von denen kaum
jemand im Publikum keine Bauchmuskelschmerzen vom Lachen davongetragen haben
sollte. Als drittes trug René Scholz aus Frankfurt am Main vor, warum Liebe Sinn
macht und schwang mit wundervoller Lyrik zurück zu ernsthaften Themen. Damit
bereitete er den Weg für Dominique Macri aus Darmstadt, die gleichfalls thematisch
ernsthaft und mit bewegender Authentizität über das „Bleiben Wollen“ dichtete.
Die Wilden 75 waren begeistert. Begeistert und uneins. Gleichermaßen viele
Tische standen am Ende der Auswertung bei Felix und Domi zu Buche. Auch hier
galt: Nur einer konnte ins Finale kommen. Ein Applausentscheid noch vor dem
Finale war die Lösung: Donner und Tosen für beide, doch 11 auf der Richterskala
für Felix und 12 für Domi.
In der dritten Vorrunde, deren vorangegangene Pause durch einen
erneuten Auftritt Gregors und eigenen sowie Songs von Disturbed und Konsorten akustisch
versüßt wurde, startete Dominik Rinkart mit seinen Erlebnissen im Zug zur Game
Convention. Gleich zu Beginn etwas zu lachen zu haben, tat gut, insbesondere,
da dem Cockpit, ob es unerwarteten Andrangs obendrein hungriger Besucher, die
Hamburger ausgegangen waren und daher die glücklich nicht verstorbenen Rinder
fröhlich mitlachen konnten. Anschließend avancierte Jule Weber zur
Abschlussballprinzessin, ohne den Abschluss der Vorrunde zu bilden, den bildete
nämlich Markus Zinkl mit einem Jahresrückblick des Jahres 2012 und erklärte,
weshalb sich keiner über den Inhalt von Pferdtigprodukten wundern solle.
Gleichwohl auch diese Runde sehr hörenswerte Beiträge hatte, war das Ergebnis
dennoch nahezu einstimmig: Jule Weber zog als Dritte ins Finale ein, wie es
sich gehört für die U20-Meisterin der deutschsprachigen Meisterschaften 2012,
aber das hatte ich ja vorher niemandem verraten.
Im Finale erklärte Simon Felix, weshalb und wie wir uns selbst ein
Königreich sein können, gefolgt von Dominique, die Bordsteinschwalben unscharf
vorüber gehen ließ und letztlich von Jule, die den Candyman Schauriges in der
Phantasie des Publikums tun ließ. Unser Moderator ahnte bereits, dass es das
Publikum schwer haben würde, sich zu entscheiden, und er behielt Recht. Dreimal
donnerndes, trommelfellerschütterndes, raubtierartig grollendes Getose! Ein
zweiter Sekundenapplausentscheid musste her. Er würde ein Ergebnis bringen und
brachte es auch. Mit drei erneut gleichermaßen donnernden,
trommelfellerschütternden, raubtierartig grollenden Getösen wurde die Wilde 75
ihrem Namen gerecht und hob alle drei verdient auf das Podest. Als Belohnung
für die grandiosen Beiträge und die überzeugende Performance aller drei gab es
nicht nur ein Cockpit-Shirt, und eine Einladung zum Open-Air-Saisonfinale am 3.
August, sondern – und da mussten alle drei ihren Freudentränen mühsam zurück
halten – je einen Doppelpack Sandwichtüten zur Zubereitung saftiger Sandwiches
im handelsüblichen Toaster. Tja, so was gibt es nur beim Poetry Slam und auch
nur beim Reichelsheimer Poetry Slam.
Doch bevor das Saisonfinale folgt, sehen wir, also die Wilden 75, unser
Moderator, viele neue und einige bekannte Slammer, uns am 7. Juni zum nächsten
Poetry Slam im Cockpit wieder, und wer bereits jetzt weiß, seinen Hunger nach
Slam Poetry allein dadurch nicht stillen zu können: Am 15. Juni eröffnen wir
die Kulturwoche im Alten Hallenbad in Friedberg mit einem Poetry Slam, moderiert von Elisa Scaramuzza und Andreas Arnold, mit Micha El-Goehre als Gast-Poet und zahlreichen wundervollen Slammern der letzten neun Slams im Cockpit im dichterischen Wettstreit miteinander. Karten
gibt es bereits an allen bekannten Vorverkaufsstellen und im Internet.
Euer Poetry Slam Reichelsheim