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Sonntag, 9. Juni 2013

10. Poetry Slam Reichelsheim; Flugbericht

Bestens gestimmt: Sebastian nebst Gitarre
Während draußen die Temperatur gefühlt auf unter 30° C abzusinken begann, hatten wir, die wir uns am Abend des 7. Juni im Cockpit zusammengefunden hatten, das Glück, dieser traurigen Entwicklung entgegenwirken zu können. Bei uns wurde es immer wärmer, und das lag nicht nur daran, dass jeder der Gäste, die wieder einmal das Bistro bis auf den letzten Sitzplatz hin ausgefüllt hatten, 100 Watt an Wärmestrahlung mitbrachte, was sich zusammen mit Künstlern und Personal geeignet haben mag, um drei Stunden lang Pizza zu backen, sondern auch an den herzerwärmenden, lachmuskelstrapazierenden und gehirnwindungenanregenden Beiträgen, die wir in den zwei Stunden unseres Poetry Slams auf die Ohren bekamen. Und nicht zu vergessen, die Vorerwärmung durch die volle Stimme und das stimmungsvolle Zupfen der irischen Bouzouki und der Zwölfseitigen von Freddy McRevill aka Sebastian Barwinek.


Jay: den Spiegel vorgehalten
In der ersten Vorrunde startete Markus Zinkl aus Wölfersheim mit gereimten Beobachtungen seiner Mitmenschen und deren Eigenarten, gefolgt von Thorsten Zeller aus Friedberg mit einer ebenfalls gereimten Erzählung über einen Weihnachtsbaumkauf. Den Abschluss machte Jay Nightwind aus Essen mit der Geschichte über Katja, die die Inkompetenz ihrer Mitmenschen dadurch zu egalisieren versucht, indem sie sich konsequent für deren Jobs bewirbt. Die Tischbewertung durch das Publikum fiel eindeutig aus. Eindeutig dahingehend, dass zwei Künstler ins Finale ziehen sollten. Einer Entscheidung, der unser Moderator gerne nachkam, zumal die angenommene Teilnehmerzahl schließlich noch Platz für den einen oder anderen weiteren Text ließ. Da der Gedanke an Schnee und der an Katja unser Publikum gleichermaßen nicht mehr losließ, wurden das Thorsten und Jay.

Axel gerät vom Hochbett in die Suppe
Schon bei der Auslosung der Vorrunde erhöhte sich die Zahl der Teilnehmer um die Zahl eins: Axel Fahl aus Reichelsheim hatte sich spontan entschieden, einen der zwei offenen Plätze für Kurzentschlossene für sich zu beanspruchen, und nachdem Mary Grebner aus Bad Nauheim die zweite Runde mit drei emotional vorgetragenen Gedichten über Katastrophen und Gefühle eröffnet hatte, ließ der Überraschungs-Poet Axel ein wahres humoristisches Feuerwerk über Hochbetten und Fliegen in der Suppe los. Obgleich der Dritte der Runde, Lukas Lazarewitsch aus Frankfurt am Main, sich mit getragener Liebeslyrik in die Seelen der Anwesenden sprach, war es der Einheimische, der den Finaleinzug für sich beanspruchen durfte. Mit Pauken und Trompeten zog er ein, während Sebastian mit Gitarre und Gesang die folgende Pause spielend zurückeroberte. 

Carmine, und Andreas in demütiger Pose
In der dritten Runde startete Tanasgol Siebenstein aus Friedberg mit einer sozialkritischen und von Trauer erfüllten Ode an den Iran, gefolgt von Benedict Hegemann aus Marburg, der die Trauer wieder aufhob und das Zwerchfell strapazierte. Als vermeintlich Letzter startete Fatih Serbest aus Mainz mit einem Rap-Text über Gedanken, das Denken und was man dachte, gedacht zu haben, und rief unserem Moderator ins Gedächtnis, dass da noch jemand da gewesen sein wollte: Carmine Squillace aus Gießen. Er war auch da, doch die flirrende Hitze hatte wohl verhindert, dass sein Name in den Hut kam, um für die Runden ausgelost zu werden. Ach, was! Für die Fernsehübertragung schneiden wir solche Pannen zukünftig dann einfach raus. Carmine beendete drei unterhaltsame und abwechslungsreiche Vorrunden mit einem weiteren sozialkritischen Text über das Abgestempelt werden. Obgleich das englische Wort „Last but noch least“ getrost für seinen Vortrag beansprucht werden durfte, fielen die Tischbewertungen sehr eindeutig auf Tana.

Normannische Gaumenfreude
nach keltischem Ohrenschmaus
Das Vierer-Finale wurde zu einem Feuerwerk an funkensprühenden Worten, die am Sprachhimmel lautstark Ohren öffneten. Während unsere Gäste den Geburtstagskuchen, den einer unserer Stammgäste uns allen ausgegeben hatte, genossen - nochmal danke und alles Gute, Rico -, wandte sich Thorsten seinen Erfahrungen als Rettungssanitäter zu und beschrieb im ständigen Wechsel zwischen Humor und Kritik, wie Alkohol auf Menschen wirkte. Jay plädoyierte gegen Diskriminierung und für Toleranz und Vergebung für politisch Fehlgeleitete und öffnete Augen und Ohren für ein zu selten gehörtes Thema und eine ganz andere Art der Intoleranz. Axel ließ seinen Protagonisten aus der Vorrunde, Baum-Schröder, erneut auf das Publikum los und erntete für dessen Busfahrt zahlreichen Lachtränen, während er sich den Künstlerrespekt abschließend erwarb, indem er vier Strophen mit den gleichen Wörtern zu vier verschiedenen Bedeutungen werden ließ. Kurz, aber so wie es effektvoller kaum sein könnte, sprach sich Tana anschließend mit ihrem verspäteten Muttertagsgeschenk in die Seelen der anwesenden Mütter, künftigen Mütter und aller, die Töchter und Söhne von Müttern sind. Die finale Applausabstimmung fing mit lautem Applaus für Thorsten an, ging mit lautem Applaus für Jay weiter, dem sich lauter Applaus für Axel anschloss und der mit frenetischem Handgeklapper, Gepfeife und Gejohle für Tana endete.
Unglaublich, was alles in der Tüte war
Die Siegerin stand fest, ebenso wie drei Zweitplatzierte, die aus der Geschenkewundertüte ihre wundersamen Siegerprämien ziehen durften. Unglaubliches, das man nur live erleben kann und nicht mal ansatzweise in Worte fassen, daher: Wir sehen uns alle am 3. August im Beach Club des Cockpits wieder, wenn wir unsere Finalistinnen und Finalisten der Saison zum Open-Air-Saisonfinale wiedersehen, die Siegerin der Sieger, den capo de tutti capi, das Sams aller Tage feststellen werden, und alle erneut in die Wundertüte greifen dürfen. Und wer es bis dahin nicht aushält, kann am 15. Juni zur Eröffnung der Kulturwoche nach Friedberg (Beginn: 19:30 Uhr) kommen oder am 29. Juni nach Büdingen zum Fest der guten Geister (Beginn: 17:30 Uhr), wo es jeweils einen Poetry Slam, moderiert von Andreas Arnold, und ein Wiedersehen mit vielen bekannten Gesichtern aus den Veranstaltungen im Cockpit geben wird.

Bis dahin alles Gute

Euer Poetry Slam Reichelsheim