Labels

Mittwoch, 16. Oktober 2013

12. Poetry Slam Reichelsheim; Flugbericht

Domi Bade
Am 11.10.2013 eröffnete das Friedberger Helden Theater e. V. im Bistro Cockpit die mittlerweile dritte Saison des Dichterwettstreits in Reichelsheim. 38 Jahre zuvor strahlte NBC die erste Folge von Saturday Night Live aus. Manch ein Text des Abends hätte auch dort zu Ruhm und Ehre gelangen können, doch lagen ja fast vier Dekaden dazwischen. Und außerdem war es Freitag. Nochzudem ging es im Cockpit weit lyrischer zu: 10 Wortkünstlerinnen und -künstler traten vor ausverkauftem Haus gegeneinander an. Bevor jedoch das gesprochene Wort den Vorrang bekam, wärmte Dominik Bade von der Frankfurter Band „Domi, bade!“ mit gefühlvollem deutschsprachigem Singer-Songwriter-Material auf und bewies, dass seine Band zurecht schon als Vorgruppe von Größen wie „Mike and the Mechanics“ spielte.

Lucy
Für die erste von drei Vorrunden hatte das Publikum Lucy Klimek aus Darmstadt, Carmine Squillace aus Gießen und Gedeon Hesch aus Kaiserslautern ausgelost. Lucy rüttelte mit einem Stakkato an Reimen an Mauern, Carmine ging der Frage auf den Grund, weshalb Liebe manchmal an Paranoia grenzt, doch trotz sehr hörenswerter Konkurrenz konnten Lucy und Carmine gegen den Lyrik-Rap des Kaiserslauterers, den er Gangster-Rappern mit „Kleinstadt-Attitüde“ lautbildlich entgegenhielt, nicht punkten. Gedeon sicherte sich den ersten Finaleinzug.

Katharina
Die zweite Vorrunde wurde von DichterDran aus Frankfurt am Main mit einem Text in Frankfurter Mundart über erste Dates und ihre Tücken eröffnet. Ihr folgte Katharina Treudt aus Nidderau, die mit traurigem, aber leicht hoffnungsvollem Vortrag feststellte, dass Dinge, die verloren sind, nicht weg, sondern einfach nur woanders sind. Das dritte Los für Vorrunde zwei fiel auf den Friedberger Thorsten Zeller. Seine Kindergeschichte für seinen Sohn über eine Fledermaus gewann das Herz des Moderators Andreas Arnold auf Anhieb, denn die Fledermaus hieß Andy; „angeblich“ des Reimes wegen. Den Abschluss machte Merlin Veit aus Darmstadt und debütierte mit einer Geschichte über den Autounfall einer Eisdielenbekanntschaft, die er mit einem überraschenden Happy End letztlich von der Tragödie zur Komödie überführte. Durchsetzen konnte sich nach einer spannenden Auszählung der 16 Tischbewertungen DichterDran.

Susanne
Nach der Pause und weiteren Lieder von Domi Bade traten Susanne Heydecke aus Lißberg, Dominik Rinkart aus Karben und Mary Grebner aus Bad Nauheim in die Konkurrenz um den letzten Finalplatz. Susanne, die spontan einen der beiden freien Listenplätze beansprucht hatte, brachte den zweiten kritischen Text über Möchtergern-Rapper. Ein beliebtes Thema an diesem Abend. Da auch sie ursprünglich aus K’lautern kam, muss dort ja einiges abgehen. Dominik konterte mit einem Glanzstück aus seiner Reihe „Geschichten, die in einem Zug spielen“. Mary schloss die Vorrunden mit einer Kurzgeschichte über einen handyfreien Familienausflug. Letztlich erwies sich Dominiks Zug als der pünktlichste und fuhr versiert ins Finale ein.


Dominik, Fledermaus, DichterDran, Gedeon
Im Finale parodierte Gedeon Hesch gekonnt die überzogene Härte der russische Staatsmacht und schuf damit ein satirisches Manifest für die Meinungsfreiheit, das sich bewusst auf Situationen, wie das Schicksal der Band „Pussy Riot“ oder der derzeit in russischer Haft befindlichen Greenpeace-Aktivisten, fokussierte. DichterDran blieb bei der schon in der Vorrunde erfolgreichen Karikatur der Mann-Frau-Beziehung und wusste auf die Antwort ihrer eigene Forderung, der Partner solle doch mal etwas Nettes sagen, bereits den Ratschlag an alle Frauen entgegen zu setzen: „Hüte dich vor den Schmeichlern!“ Dominik Rinkart schloss das Finale mit einem Text aus seiner Reihe „Geschichten, die nicht in einem Zug spielen“ und verließ damit überraschend das unterhaltsame und leichtefüßige Comedy-Genre. Der Karbener hinterließ dafür bleibende Eindrücke mit schwerer und metrisch beeindruckender Lyrik. Der Applausentscheid sprach eine eindeutige Sprache: Drei so bereichernde Texte wollte niemand aus dem Publikum auf einen der hinteren Plätze verweisen. So erklärte der Moderator alle drei Finalteilnehmer zu Siegern des gelungenen Abends, dessen Gelingen jedoch ohne Zweifel allen Teilnehmern gleichermaßen zuzuschreiben war. Wir freuen uns auf den nächsten Dichterwettstreit mit Musik am 14. Dezember 2013. Karten gibt es wie immer im Vorverkauf im Ticketshop Friedberg, im Cockpit oder an der Abendkasse.